Wie im Fluge
LUISA SPLETT
KLAVIER
Emil Frey (1889–1946)
Kleine Slawische Suite op. 38
Felix Blumenfeld (1893-1931)
Souvenir douloureux op 2/2
Claude Debussy (1862–1918)
Aus Images inéditées
Sarabande: Souvenir du Louvre
Nikolaj Medtner (1880–1951)
Sonata „Reminiscenza“
Modest Mussorgsky (1839–1881)
Bilder einer Ausstellung
Turi Sialm (1891–1961)
Aus Suita sursilvana „Processiun“
Inspiration Schweiz
Rezital Tonhalle Zürich, 27. Sept. 2010
EMIL FREY (1889-1946)
aus Klavierstücke op. 12: Berceuse (3:13)
aus Klavierstücke op. 20: Humoreske (4.25)
aus der 6. Suite für Klavier op 66: Passacaglia (8:49)
FRANK MARTIN (1890-1974)
aus “Huit Préludes pour le Piano”
I. Grave (3:21)
II. Allegretto tranquillo (1:57)
VIII. Vivace (3:10)
ALEXANDER SKRJABIN (1872-1915)
Sonate Nr. 5 in Fis-Dur op. 53 (11:15)
FRANZ LISZT (1811-1886)
aus “Années de Pèlerinage, La Suisse”
Au lac de Wallenstadt (3:47)
Au bord d’une source (3:54)
Orage (4:29)
Vallée d’Obermann (13:08)
Les cloches de Genève (6:43)
Zugaben
SERGEJ PROKOFJEW - aus “Visions fugitives” op.22
X. Ridicolosamente (0:42)
XVII. Poético (1:00)
ROBERT SCHUMANN
Romanze op. 28 Nr. 2 (3:10)
Bilder einer Ausstellung
Rezital Tonhalle Zürich, 3. Dez.2011
Ton:
Magnon Recording Studio
Paul Niederberger
6370 Oberdorf-Stans
Layout / Produktion:
Herbert Büttiker
8525 Niederneunforn
Bilder:
Jürg Rufer (Konzert)
Astem Bruk (Porträt)
Text:
Heinz Kern
Copyright: Luisa Splett
Ton: Magnon Recording Studio, Paul Niederberger
Grafik / Produktion: Roccosound - Herbert Büttiker Foto: Büttiker: Cover (Silsersee); Marc Dahinden: Porträts; Juerg Rufer: Konzert Text: Heinz Kern.
Copyright: Luisa Splett
Aufgenommen in den Hardstudios in
Winterthur
2. / 3. Dezember /2 CDs
Musikalität aus erster Hand
zu Luisa Spletts Album „Wie im Fluge“
Das Programm der Doppel-CD segelt unter einem poetischen Titel: «Wie im Fluge». Tatsächlich scheinen die eingespielten Werke in irgend einer Weise das Luftige, Flatternde, Vorüberziehende, Flüchtige aufzugreifen: «Lose Blätter» von Hermann Goetz, Martin Wendels «Fünf Flugblätter», Sergei Prokofjews «Visisons fugitives», Alfred Felders «memoir – following a trace of my memory» und natürlich, nicht zuletzt, aber doch am Schluss als Zugabe, Rimski-Korsakows «Hummelflug».
Dem Wolkig-Leichten, das diese Titel suggerieren, entspricht als musikalische Form die Minitatur, das Charakterstück oder das Impromptu. Fünf Minuten dauern die längsten Sätze, eine halbe Minute der kürzeste: Mit 29 Tracks ist die Doppel-CD damit von einer äusserst lebhaften Vielgestaltigkeit. Die Anforderung an die Interpretin sind dabei höchst unterschiedlich, aber im Ganzen ist die Fähigkeit gefordert, über die Beherrschung der Noten hinaus im schnellen Wechsel und in knappen Formulierungen die unterschiedlichsten Charaktere zu erfassen, und da zeigt Luisa Splett noch und noch frappanten Zugriff, Flair für Stimmungen, sicheren Instinkt, sei es im Geist der Romantik bei Goetz oder in der rhythmisch und harmonisch pointierten Moderne eines Profkofjew oder – durchaus auf der Linie dieses Russen – der Poesie eines Martin Wendel. Ein zyklischer Gedanke spannt in seinen „Flugblättern“ – ein Titel, der an hingeworfene Moments musicaux denken lässt – allerdings einen grossen Bogen, unter dem auf köstliche Weise ein naives Thema und seine tief lotende Reflexion stimmig zusammen finden.
Von der Idee des knapp skizzierenden Zeichenstifts, das diese auch sehr pianistisch denkenden und schreibenden Komponisten verbindet, am meisten entfernt sich das jüngste der von Luisa Splett eingespielten Werke: Alfred Felders vierteiliges Stück «memoir», ein für Luisa Splett geschriebenes Werk, das auf der CD seine Uraufführung erlebt. Von starken Stimmungskontrasten geprägt, ist es doch eine von einer meditativen Grundhaltung bestimmte Musik, die ins Weite führt, eine tief persönliche Musik, die auch drängenden und dunklen Emotionen Raum gibt. Wie Luisa Splett hier eintaucht und das neue Stück als ein vertrautes präsentiert, ist beeindruckend. Es ist Musikalität aus erster Hand, die uns auf eine «Spur der Erinnerung» mitnimmt, und dies verbunden mit einer spielerischen Herausforderung, die in ihrer komplexen Rhythmik, dichten Harmonik und klangfarblichen Schattierung allein schon höchste Konzentration verlangt.
Winterthur ist für den international erfolgreichen Schweizer Komponisten Alfred Felder (1950*) seit Jahrzehnten Lebensmittelpunkt. Dieser Ort geschichtsträchtiger Musikpflege (das Musikkollegium wurde 1629 gegründet) ist auch die Heimatstadt von Luisa Splett, deren Vater Paul Otto Splett im städtischen Orchester 2. Konzertmeister war. Ihre erste Studio-Produktion – vorausgegangen sind Live-Mitschnitte zweier Rezitals in der Tonhalle Zürich (Roccosound) – ist unübersehbar auch eine Reverenz an diese Stadt und mit Fäden zu dieser und zur eigenen Herkunft durchwirkt. Zur Familienbekanntschaft gehörten sowohl Felder, Violoncello-Lehrer am Konservatorium als auch Martin Wendel, der Soloflötist im Stadtorchester.
Neben der lebendigen Nähe zu musikalischen Menschen, die Luisa Spletts Werdegang von früh an prägten, ein historischer Bezug zu Winterthur: Der Königsberger Komponist Hermann Goetz, nie ganz vergessen, aber doch in der Nachfolge Schumanns eine Randfigur, wirkte von 1863 bis 1870 als Organist an der Stadtkirche Winterthur, wo auch die eingespielten «Losen Blätter» entstanden. Weist der Winterthur-Bezug der CD zurück auf musikalische Wurzeln und Anfänge, so die russische Musik biografisch ebenso bedeutend auf Luisa Spletts Entwicklung und künstlerische Entfaltung: Nach ihren Studien in Winterthur und Zürich shloss sie ihre Ausbildung am Konservatorium in St. Petersburg ab. Die plastische Kraft, der leidenschaftliche Ton der russischen Klavierwelt haben sie offenbar besonders fasziniert.
Über ihre Affinität zu den grossen Komponisten dieser Tradition hinaus, hat Luisa Splett hier das umfassende Rüstzeug für ihre musikalische Reise geholt. Diese Reise geht, wie der Konzertkalender der nun in Berlin lebenden Künstlerin zeigt, buchstäblich durch die Welt; sie geht aber auch, wie ihr CD-Album «Wie im Fluge» belegt, durch die Weite der Epochen und Stile – dies eigenwillig, auf eigenem Weg und im «Wissen darum, dass Musik eine Sprache ist, die alle Menschen und Kulturen vereint» mit feu sacré. (hb)
Da ist viel mehr, als man denkt
Konzertreeihe „Mut“ in Winterthur 2023 – Fünf Konzerte ausschliesslich mit Komponistinnen
Das ganze Alphabet der Pianistin
REZITAL Mit Klaviermusik von A bis Z ist die Winterthurer Pianistin Luisa Splett auf Tournee. Sie spielt kostbare Miniaturen und Raritäten in zwei Programmen.
In bester Erinnerung ist Luisa Spletts Debüt mit einem Mozart-Konzert beim Musikkollegium 2014. Winterthur ist die Stadt, in der sie geboren wurde und ihre erste pianistische Ausbildung erhielt. Schon auf ihrer musikalischen Lehr- und Wanderschaft durch Länder und Kontinente hat sie die Heimatstadt hinter sich gelassen. Doch sie hat sie nicht vergessen. Seit 2012 lebt und arbeitet sie in Berlin, mit Konzertprojekten ist sie aber öfter auch in der Schweiz unterwegs, und der Bezug zu diesem Land ist auch im künstlerischen Sinn eng und direkt. Luisa Splett pflegt zwar ein universelles Repertoire, aber sie engagiert sich auf vielfältige Weise auch für das schweizerische Musikschaffen. Dazu gehören Beziehungen zu zeitgenössischen Komponisten wie Alfred Felder, eigentliche Forschungsarbeit, die sie dem Komponisten und Pianisten Emil Frey widmet, und schliesslich auch die Präsenz eher vergessener Klavierliteratur der Romantik und des 20. Jahrhunderts mit Schweizer Bezug in ihren Programmen.
Workshops für Flüchtlingskinder
Auch die aktuelle Tournee durch sieben Orte der Schweiz zeigt diesen Bezug. 26 Komponistennamen, für jeden Buchstaben des Alphabets einen, sind in den beiden Programmen aufgeführt, darunter mit Schweiz-Bezug Ernest Bloch, Emil Frey, Hermann Götz und Paul Juon.
Eine weitere Intention, die Luisa Splett bei der Suche nach den «Trouvailles pianistiques» von A bis M und von N bis Z leitete, war ein Thema, das sie im Alltag begleitet: «Flucht und Vertreibung». In Berlin leitet sie Workshops für Flüchtlingskinder. Reisen und dem Herkunftsort ferne Lebensstationen prägen viele Musikerbiografien, auch Exil, Vertreibung und Schlimmeres. So gehören auch Komponistenschicksale wie dasjenige von Viktor Ullmann oder Mieczyslaw Weinberg zum künstlerischen Alphabet von Luisa Splett.
Dieses Alphabet spiegelt auch das eigene Unterwegssein, die Beziehung zu Südamerika mit dem Chilenen Luis Advis, die St. Petersburger Zeit mit der Präsenz der grossen Russen Tschaikowsky, Rachmaninow, Prokofjew. Dass es auch Zufälligkeiten gibt, leugnet die Wahlberlinerin nicht. Beim Q-Komponisten, der ja auch vorkommen musste, half, wie sie erzählt, Wikipedia mit dem Hinweis auf Alfred Quidant. Er war der «Showpianist» der Pianofabrik Erard und hat süffige Klaviermusik für den Salon hinterlassen – gerade passend für
ihre Sammlung. Denn auch wenn ernste Töne angeschlagen werden, ihr Rezital sollte nicht als übergewichtiges Lexikon daherkommen. Sie
betont, dass es ihr um Abwechslung und Beziehungsreichtum, um Anregung, Hellhörigkeit und Neugier zu tun ist. Locker blättert sie durch Jahrhunderte und Stile, und vielfach ist den Miniaturen, die sie zusammengestellt hat, das Poetische und tänzerisch Leichte eingeschrieben – am Schluss steht da «Käferlied» von Alexander von Zemlinsky. Herbert Büttiker / Der Landbote
Programm I: Sonntag, 19. 11., 19.30 Uhr, Neuwiesenhof, Winterthur. Programm II: 24. 11., Bürgerasyl, Stein am Rhein, und 30. 11., ZKOHaus, Zürich, je 19.30 Uhr.
Hermann Goetz (1840–1876) Lose Blätter op. 7
Sergei Prokofjew (1891–1953) Visions fugitives op. 22
Martin Wendel (1925–2013) Fünf Flugblätter op. 34
Alfred Felder (*1950) memoir – following a trace of my memory
Nikolai Rimski-Korsakow (1844–1908) Der Hummelflug Version: Natan Perelman (1906–2002)
TOCCATA CLASSICS
LONDON
TOCC 0339
Emil Frey
PIANO MUSIC, VOLUME ONE
Berceuse, op. 12, No. 2 1906
Humoreske, op. 12, No. 2
Variations on a Romanian Folksong, op. 26
Sonata dramatica, op. 27
Slavic Suite, op. 38
Sonata dramatica, op. 27
Passacaglia, op. 66, No. 4
Im Fahrwasser eines
grossen Pianisten
Zu Luisa Spletts CD „Emil Frey,
Piano Musik, Volume one
Mit ihrer ersten dem Schweizer Pianisten und Komponisten Emil Frey (1889–1946) gewidmeten CD gibt Luisa Splett einen Überblick über das Schaffen des Komponisten und Klaviervirtuosen. Das Programm der CD spiegelt die Zeit seines Studiums bei Charles Widor und Gabriel Fauré in Paris, die Freundschaft mit George Enescu in Rumänien, die russische Periode als Professor am Moskauer Konservatorium und die Zeit nach der Rückkehr in die Schweiz, die ihn mit dem Umfeld der deutsch-österreichischen Moderne (Zweite Wiener Schule, Hindemith, Reger) konfrontierte.
Die stilistische Spannweite und Vielfalt der Formen, die Freys Schaffen prägten, erlaubten es der Interpretin, ein farbiges und anspruchsvolles wie reizvolles Rezital zu gestalten. So verbindet die CD den historischen und musikologischen Anspruch, den Luisa Splett auch mit ihrem fundierten Beitrag im Booklet einlöst, mit dem künstlerischen Anliegen, dem Hörer ein pianistisch ausgefeiltes und faszinierendes Programm zu bieten.
Als hervorragendes Beispiel für diese Verbindung rückt die „Sonata dramatica“ in den Mittelpunkt, das umfangreichste Werk der CD. Es ist bisher unpubliziert. Luisa Splett musste es aus dem nicht eben leicht zu lesenden Manuskript einstudieren. Die Interpretation der drei Sätze Allegro non troppo ma appassionato, Largo espressivo und Andante – Allegro con fuoco lässt nun aber nicht im geringsten mehr an musikologische Bemühungen denken. Sie
ist allen Vorgaben gemäss leidenschaftlich, expressiv und feurig. Luisa Splett ist nicht nur auf den Spuren des Pianisten und Komponisten Emil Frey, sondern auch in seinem Fahrwasser unterwegs. (hb)
Franz Schubert
Letzte Klavierwerke
Drei Klavierstücke op. post. D 946
Klaviersonate B-Dur D 960
Mit Schubert auf dem Weg
Schuberts letzte Klavierwerke strahlen mild und dunkel zugleich. Wie sehr sie sich Luisa Splett in diese Welt eingelebt hat, zeigt ihre neueste CD.
Es gibt akrobatischere Musik, aber wohl keine musikalischere als die Werke, die Luisa Splett auf ihrer neuen CD vorstellt, die Drei Klavierstücke D 946 und die Sonate B-Dur D 960 von Franz Schubert, alles Kompositionen aus seinem Todesjahr. Sie sind nicht auf den Tod hin komponiert, sondern auf neue, erregende Visionen, für die Schubert, 31-jährig, sogar noch einmal Kompositionsunterricht begann. In ihnen lösen sich alle Antagonismen auf, pianistischer Anspruch trifft auf schlichte Haltung, kompositorische Originalität auf existenzielle Unmittelbarkeit, rhythmische Getriebenheit und Eruption auf Stille und innigen Gesang. Der Interpret kann sich da leicht nach allen Seiten verlieren, da zu wenig tun, dort zu viel, und er muss selber eine starke Mitte besitzen, aus der heraus, einfach gesagt, Schuberts einsame und lebensgläubige Seele spricht.
Sie tut es, um von der Sonate zu sprechen, von den ersten Takten an, wenn Luisa Splett ganz gelöst, aber nicht schleppend, modellierend, aber ohne übertriebenen Nachdruck das Thema exponiert. In dieser Atmosphäre braucht auch der grollende Basstriller kein Ausrufezeichen, um von dunkler Ahnung zu sprechen. Und so wie der Anfang, so das Spiel insgesamt, empfindsam klar und expressiv kontrolliert. Dabei bedient die Pianistin eines breiten Spektrums und lässt den satten Wohlklang, die subtilen Valeurs und den starken Griff des modernen Flügels walten. Das lassen schon die Drei Klavierstücke hören: Drängend eröffnet das erste (Allegro assai) die CD, das zweite (Allegretto) erhält im Mittelteil scharfe dramatische Kontur der Sforzati, das dritte (Allegro) die Energie der Synkopen und im Mittelteil die suggestive Wirkung des rhythmischen Ostinatos.
Das Weglassen aller Wiederholungen festigt den Charakter dieser Stücke in der Art des leichten, gar schwebenden «Impromptus». Mit griffig herausgearbeiteten Kontrasten gibt ihnen die Pianistin aber auch entschieden Gewicht. Sie verblassen nicht neben der B-Dur-Sonate, die nun freilich ein monumentales Werk ist, wobei diese Monumentalität in die Tiefe geht und mit Bombast nichts zu tun hat. Es sind vierzig Minuten eines weiten Wegs durch Höhen und Tiefen. Der erste Satz führt zu den suchenden und brüchigen Passagen, die von der Interpretin spannend ausgehorcht werden, im zweiten geht es im subtil ausbalancierten Staccato-Spiel zu den «gefrorenen Tropfen» der Winterreise und im Kontrast dazu im Mittelteil zum melodischen Fluten, dessen Einsetzen von erschütternder Wirkung ist. Die hervorragende pianistische Kultur, die dabei im Spiel ist, tritt dann in den weiteren Sätzen erst recht hervor und begeistert im Scherzo Satz mit den kapriziösen Effekten und im weitläufige Finalsatz mit der Dramatik vollgriffiger Passagen.
Auf ihrem eigenwilligen Weg durch die weite Klavierwelt hat sich Luisa Splett in jeder Hinsicht in entfernte Gegenden gewagt. Ihr Repertoire ist voller selten gespielter Literatur, ihr Engagement schliesst auch Konzertreisen nach Südamerika ein, in Berlin, wo sich die gebürtige Winterthurerin als Künstlerin und Familienfrau etabliert hat, ist sie auch pädagogisch und forschend tätig, im Studio hat sie sich zuletzt das Werk des Schweizer Komponisten Emil Frey zum Schwerpunkt gemacht. Dass sie bei all dem nicht als Exzentrikerin dasteht, sondern mit Schubert als Herzensangelegenheit ganz bei sich selber ist, macht ihre Schubert-CD berührend deutlich. Herbert Büttiker / Landbote 2.2.2020
Konzert:
Luisa Splett ist mit einem Schubert-Rezital auf Tournee in Fribourg (29.1.), Baden (31.1.) und Winterthur (Stadthaus, 2. 2., 17 Uhr). Auf dem Programm stehen die Sonaten D 894 und D 960.
Bild: Janine Guldener
«Musizieren ist nicht Spielen, sondern eine Kontaktaufnahme mit einer geistigen Kraft.»
Emil Frey
Mehr als pianistische Kraftproben
ZHDK Am Ort seines Wirkens als Dozent für Klavier ehrten Karl-Andreas Kolly und eine Schar junger Musikerinnen den Pianisten und Komponisten Emil Frey.
Wie sich Musiker fortpflanzen, demonstrierte das Spektrum-Konzert an der Zürcher Hochschule der Künste mit der «Hommage à Emil Frey» auf musikalisch eindrückliche Art. Der Pianist und Komponist Emil Frey betreute von 1918 bis zu seinem Tod am Zürcher Konservatorium eine Klavierklasse. In seinen Kindern und Kindeskindern lebt er weiter. Einer seiner Schüler, Karl Grenacher (1907–1989), wurde der
Lehrer von Karl-Andreas Kolly. Zu dessen Schülerinnen wiederum gehörte die Winterthurer Pianistin Luisa Splett, und mit ihr geht
nun die musikalisch Saat Emil Freys offenbar so richtig wieder auf.
Von Wagner zu Strauss
Dies nicht nur in Zürich, sondern auch etwa in Berlin, wo die Pianistin konzertierend und forschend in Sachen Emil Frey tätig ist, und in der Musikwelt überhaupt: Volume one ihrer in England erscheinenden CD-Edition von Freys Klavierwerken liegt bereits vor (Toccata Classics).
Luisa Spletts Initiative zu verdanken ist nun auch die Frey-Hommage zu seinem 70. Todesjahr am Montag an der ZHdK, die sein breites kompositorisches Spektrum mit Klavierwerken, Liedern und Kammermusik zum Thema hatte. Präsentiert wurde eine Fülle ausdrucksvoller und virtuos-spannender Musik. Der Berliner Musikwissenschaftler Ulrich Mahlert, der durch den Abend führte, charakterisierte sie
als schwer einzuordnen und schillernd vielfältig. Seinem Lebensweg folgend habe Frey Einflüsse des Impressionismus, der Spätromantik von Wagner zu Reger und Strauss und der russischen Musik verarbeitet, und diese Offenheit seines Schaffens sei möglicherweise auch der Grund, warum sie sich keinen dauernden Platz im Konzertleben erobert habe.
Der Pianist der Königin
Dass die stilistische Bandbreite nicht Schwäche bedeutete, machte der Abend Werk für Werk bewusst, stets packte da ein anspruchsvolles Komponieren, dessen auftrumpfende Virtuosität mit musikalischer Substanz einhergeht. Freys Schlussbemerkung in seinem auch heute noch aktuellen pädagogischen Hauptwerk, Musizieren sei nicht Spielen, sondern Kontaktaufnahme mit einer geistigen Kraft, bewahrheitete sich an diesem Abend, der zu Entdeckungen einlud. Stück für Stück. Als der gebürtige Badener sich knapp dreissigjährig in Zürich niederliess, hatte er schon eine weltläufige, fast abenteuerliche Karriere hinter sich. In Paris holte er sich den Grand Prix de Piano. Durch den befreundeten Geiger George Enescu lernte er in Berlin Carmen Silva, die unter Pseudonym schreibende rumänische Königin, kennen und wurde Hofkomponist in Bukarest.
Biografische Verknüpfungen
In St. Petersburg gewann Emil Frey dann mit einem Klaivertrio den Grossen Rubinstein-Preis, und Alexander Glasounov berief ihn als Klavierprofessor ans Moskauer Konservatorium. 1917 zwang ihn die russische Revolution zur Rückkehr in die Schweiz. Biografische Verknüpfungen gehören zu Freys OEuvre. Beschaulich und souverän eröffnete Luisa Splett den Abend mit den «Variationen über ein rumänisches Thema» op. 25; Karl-Andreas Kolly folgte mit der ausladenden «Fantasie über den Choral ‹O Haupt voll Blut und Wunden›» op. 30 und die berührende Transkription von Johann Sebastian Bachs «Air». Beide zusammen spielten sich mit der «Toccata für zwei Klaviere»
op. 76 dann nonchalant in die Hände, begeisterten mit lyrischen Finessen und präzis verschränkter Dramatik von Läufen und rhythmisch überraschungsvoll gesetztem Akkordspiel. In der zweiten Programmhälfte machte die Mezzosopranistin Stephanie Boller deutlich, wie Frey am Puls des Textes in seinen Liedern zu unmittelbar ansprechenden Aussagen fand. Mit Vladislava Luchenko und Klara Mille (Violine), Carolin Krüger (Viola) und Chiara Enderle (Violoncello) erweiterte sich die Besetzung schliesslich bis zum Quintett.
Voller Temperament
Das junge, temperamentvolle Team erweckte mit seinem dezidierten Zugriff den Eindruck, man habe es nicht mit Ausgrabungen zu tun – das meiste von Frey ist nicht publiziert –, sondern mit bestandenen Werken des Repertoires. Dazu hat Emil Frey – dies das Fazit des Abends – offenbar Spannendes beizusteuern. Herbert Büttiker / Der Landbote 16. 11. 2016
«Musizieren ist nicht Spielen, sondern eine Kontaktaufnahme mit einer geistigen Kraft.»
Emil Frey
Weite Klavier- und Menschenwelt
Die Arbeit an der Perfektion des Spiels hat die junge Winterthurer Pianistin Luisa Splett in die weite Welt geführt. Doch zwischendurch lässt sie auch hier von sich hören.
WINTERTHUR – Realistisch bleiben, aber so weit kommen wie möglich – das sagt, mit einem offenen Lächeln im Gesicht, die 1983 in Winterthur geborene Luisa Splett, die sich als Pianistin auf die «Suche nach dem perfekten Klang» eingeschworen hat und deswegen schon einen weiten Weg zurückgelegt hat. Nach der Matura und als Jungstudentin in der Obhut von Andreas Kolly reiste sie wieder nach Chile, wo
sie schon als Gymnasiastin ein Austauschjahr verbracht hatte und vom Land, von den Leuten und ihrer Sprache fasziniert war. In Santiago wurde sie in die Konzertklasse von Yelena Scherbakova aufgenommen, und so konnte sie die musikalische Horizonterweiterung unter dem neuen Himmel auf höchstem Niveau betreiben. Zugleich wies die russische Professorin in Chile der tatendurstigen jungen Musikerin den weiteren Weg: zu ihrem eigenen früheren Lehrer Oleg Malov, Professor am Konservatorium in St. Petersburg. Nach der Zwischenstation
mit Grundstudium an der Hochschule für Musik Zürich-Winterthur und Weiterstudium nun in der Konzertklasse von Andreas Kolly und Studienabschluss in Chile wechselte sie Kontinent und Kultursphäre und ging zum Weiterstudium nach Russland.
Ihren Professor Oleg Malov beschreibt Luisa Splett als sehr streng, aber menschlich fein. In den Lektionen ist bei ihm immer auswendig zu spielen. So ist das Studium äusserst intensiv und für das reiche Kulturleben St. Petersburgs – als Studentin hat sie dort fast überall freien Eintritt – bleibt eigentlich viel zu wenig Zeit. Hinzu kommt eine wissenschaftliche Arbeit, die sie über den Schweizer Komponisten und Pianisten Emil Frey (1889–1946) schreibt, der in Moskau Professor für Klavier war und als Solist viele Konzertreisen nach Südamerika unternahm und den sie so gewissermassen als einen Vorfahren betrachten kann. Aber die Arbeit für den offiziellen Studienabschluss im
November ist nicht das ganze Leben: Im Studentenheim gibt es den reichen Kontakt zu Studierenden aus aller Welt und russische Freunde. Die Sprache – Russisch verbindet hier alle Nationen – ist für Luisa Splett nach zweieinhalb Jahren kein Problem mehr.
Musikalische Aktivitäten prägen das studentische Leben. Alle zwei Wochen gibt es Konzerte, Kammermusik in wechselnden Ensembles formieren sich für Auftritte im Saal des Wohnheims, inzwischen vermehrt aber auch an anderen Orten.
Für diesen Herbst hat Luisa Splett mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, Portugal, Australien, Litauen und Japan sogar eine Tournee in die Schweiz organisiert. Geplant sind im September Konzerte in Windisch, Zürich und Winterthur. Ebenfalls im September gibt Luisa Splett in Zürich ein Solorezital. Ihre Konzertliste ist bereits imponierend umfangreich und zeigt eine geografische Weite, die von St.
Petersburg in die USA und bis nach Südamerika reicht. Auch handelt es sich beim bevorstehenden Konzert mit Prokofjews «Visions fugitives» op. 22, Skrjabins «Fantasie» op. 28 und Schumanns Fantasie op. 17 nicht um ihren ersten Auftritt in Zürich, aber doch um das Debüt im Kleinen Saal der Tonhalle – mit grossen Werken. Herb ert Büttiker / Der Landbote 2.9. 2009
Konzerte
Das Solorezital in der Tonhalle Zürich findet am 7. September, 19.30 Uhr, statt. Das Kammermusikkonzert in Zürich am 12. und im Alten Stadthaus Winterthur am 17. September (19.30 Uhr).